You are currently viewing Stilles Gedenken am 20. Todestag von Hatun Sürücü

Zwanzig Jahre nach ihrem Todestag am 7. Februar 2005 stehen die Menschen immer noch bewegt am Gedenkstein für Hatun Sürücü an der Oberlandstraße. Auch an diesem Freitag, dem 7. Februar 2025, sind wieder viele zusammengekommen. Ein Blumenmeer bedeckt den grauen Stein. Julia Selge, die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte in Tempelhof-Schöneberg, sieht die furchtbare Tat auch heute noch als Mahnung, denn Gewalt gegen Frauen sei immer noch ein akutes Thema. Das bestätigten leider auch die Zahlen aus Berlin. Laut „Bericht zur Situation der Opfer von Straftaten im Land Berlin 2023“ wurden in diesem Jahr 1.151 Fälle von Vergewaltigung registriert, die Dunkelziffer sei erheblich höher. Gegenüber 2022 sei dies ein Anstieg von fast 23 Prozent. 

Julia Selge rief dazu auf, gemeinsam etwas dagegen zu tun, denn Gewalt und Ungerechtigkeit kennen keine Grenzen. Der Gedenkort liegt zwischen Neukölln und Tempelhof-Schöneberg und deshalb nehmen seit dem vergangenen Jahr auch Bezirksbürgermeister Martin Hikel und Vertreter:innen des Bezirksamtes Neukölln teil und legen einen Kranz nieder. Es sei traurig, jedes Jahr dort stehen zu müssen, weil das Thema Morde an Frauen, nur weil sie Frauen sind, uns auch zwanzig Jahre später noch immer umtreibe. Es sei wichtig, auch auf einzelne Schicksale immer wieder hinzuweisen, damit sie nicht nur einzelne Zahlen bleiben. Es müsse uns aber auch umtreiben, zu fragen, wie es dazu kommen konnte, um Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Man müsse bei der Gedankenwelt der Männer ansetzen, die aus einem falschen Ehrbegriff heraus Frauen töten, und hinterfragen, welche Strukturen solche Taten begünstigten. 

Stilles Gedenken von Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg, Jörn Oltmann (2.v.l.), Staatssekretär für Soziales, Aziz Bozkurt (3.v.l.), und Bezirksbürgermeister von Neukölln, Martin Hikel (5.v.l.).

Damit beschäftigt sich auch das Projekt HEROES® aus Neukölln, das in diesem Jahr wieder an der Gedenkfeier teilnahm. Sie wenden sich an junge Männern, die tradierte Vorstellungen und damit verbundenen Rollenbilder überwinden wollen. Baran Fonte Venegas, Mitglied bei den HEROES®, sprach stellvertretend für sie: „Das Patriarchat steht hinter uns, macht uns kalt und brutal und klopft uns auf die Schulter. Dieses Schulterklopfen ist manchmal laut, manchmal leise, und manchmal kaum spürbar. Manchmal ist es aber auch schwer wie ein Hammer. Mit dem Schulterklopfen belohnt uns Männer das Patriarchat mit Privilegien, aber es ist auch eine Drohung, die uns in den Männerrollen gefangen hält. Deshalb wollen wir es anders machen, gleichberechtigt, Seite an Seite, auf Augenhöhe, Hand in Hand mit Frauen in dieser Gesellschaft zusammenarbeiten und zusammenleben. Wir glauben daran, das es sich lohnt, für eine bessere Gesellschaft einzustehen.“

Das bekräftigte auch der Staatssekretär für Soziales, Aziz Bozkurt, und erklärte, dass sich in den vergangenen Jahren das Bewusstsein geändert habe. Zwar würden die Zahlen noch nicht sinken, denn es brauche einen langen Atem, um geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen. Aber mit dem Berliner Landesaktionsplan zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Bekämpfung und Verhütung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Konvention) will der Senat durch ein koordiniertes politisches Vorgehen die Vorgaben mit zielorientierten Maßnahmen umzusetzen. Ein weiterer wichtiger Schritt sei auch das im Januar dieses Jahres vom Bundestag beschlossene Gewalthilfegesetz. Es soll in den kommenden Jahren ausreichenden, bedarfsgerechten und kostenfreie Schutz-, Beratungs- sowie Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder bereitstellen. Hinzu kommen Maßnahmen zur Prävention – einschließlich der Täter, Öffentlichkeitsarbeit und die Vernetzung des spezialisierten Hilfesystems.

Hilfe und Information
Gewalt gegen Frauen hat viele Facetten und durchzieht alle Teile der Bevölkerung. Das zeigt auch das Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023“ des Bundeskriminalamtes. 938 Tötungsdelikte an Frauen wurden von der Polizei registriert, neun mehr als im Jahr zuvor. Bei 360 Frauen und Mädchen waren die Tötungsdelikte vollendet. Darunter sind Opfer häuslicher Gewalt, aber auch Opfer von Femiziden: Frauen, die getötet werden, weil sie Frauen sind. 

Auf der Webseite der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte im Bezirk Tempelhof-Schöneberg finden von Gewalt Betroffene – Frauen und Männer – Ansprechpersonen und Anlaufstellen. Für Frauen gibt es das bundesweite kostenlose Hilfetelefon 08000 116 016. In Berlin bietet die Hotline von BIG e. V . – Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen unter der Nummer 030-6110300 telefonische Beratung bei Häuslicher Gewalt.

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